Zeitbrief Nr. 58

 


Willkommen beim 58. my_time Zeitbrief - Januar 2005
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zeitbrief@zeitbalance.de

» Inhalt

» Editorial
» Zeitnotizen und -gedanken
» Der 1. Satz
» Nicht mehr synchron
» Monotonie oder Leidenschaft
» Den Zeitsinn auffrischen
» Dichter zur Zeit
» my_time
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» Editorial

Viele Tage lang haben wir jetzt beobachtet, wie sich abends an einem
See am Kieler Stadtrand mehrere hundert Wildgänse einfinden.
Nach Sonnenuntergang – d. h. jeden Tag ein paar Minuten später
auf der Uhr - kommen sie laut rufend in Schwärmen von zwei bis über
vierzig Vögeln herangeflogen, rauschen über die Köpfe ihrer Beobachter
hinweg und landen dann mehr oder weniger elegant auf dem Wasser.

Das Schauspiel dauert regelmäßig zwanzig Minuten. Ganz ohne Turm-
und Armbanduhren gelingt es den Gänsen, regelmäßig und verläßlich
am gemeinsamen Treffpunkt anzukommen und dabei ein genaues
Zeitfenster einzuhalten. So können Meetings Spaß machen ...

Eine schöne Zeit bis zum nächsten -brief wünschen

Wolfgang Hamm, Anja und Hans D. Brandhoff
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» Zeitnotizen und -gedanken

'Ich trage nie eine Uhr. Uhren sind Peitschen für all jene, die sich
als Rennpferde missbrauchen lassen.'
(François Mitterand)

'Bereit sein ist viel, warten können ist mehr, doch erst den rechten
Augenblick abwarten ist alles.'
(Arthur Schnitzler)

'Wenn Zeit ihre Bedeutung verliert, ist sie nicht zwangsweise verloren.'
(Damaris Wieser)
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» Der 1. Satz – Buchanfänge

'Das ist die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der
zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er
beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen.'
(Robert Schneider: Schlafes Bruder)

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» Nicht mehr synchron

'Wenn schon die industrielle Revolution unser Verhältnis zu Zeit und
Uhren derart drastisch verändert hat, ist auch zu erwarten, dass es in
diesem Verhältnis erneut einen tiefgreifenden Wandel geben wird,
wenn das industrielle Zeitalter vom Informations- oder Kommunika-
tionszeitalter abgelöst wird. Und da kann ich an mir als Prototyp
dieses Wandels einiges beobachten.

Stichwort Kommunikation: Die klassische Kommunikationsform des
industriellen Modells ist die Sitzung, eine Kommunikationsform, die
exakte zeitliche (und räumliche) Koordination aller Beteiligten voraus-
setzt. Je mehr ich aber per E-Mail kommuniziere, desto mehr fällt mir
auf, was jeder Postfachbesitzer weiss: Es braucht keine exakte zeitliche
Koordination mehr, ich muss nicht mehr warten, bis die Lieferung in
den Zeitplan meines Briefträgers passt, sondern leere das Fach, wann
es mir passt. Und anders als beim Telefon kann ich eine gute Idee per
E-Mail auch mitten in der Nacht in die Welt hinaus schicken.

Zudem lebe ich, wie dies in Zukunft eine wachsende Anzahl Menschen
tun wird, nicht mehr davon, dass ich meine Arbeitszeit verkaufe, sondern
indem ich die Produkte meiner grauen Gehirnzellen wie etwa diesen
Artikel auf dem Markt feil biete. Wann und wo ich dieses Produkt fabri-
ziere und wie lange ich dafür brauche, interessiert ausser mir nieman-
den - natürlich nur, solange ich pünktlich abliefere. Ganz ohne zeitliche
Koordination aller an den Wertschöpfungsprozessen Beteiligter kommt
auch die virtuelle Wirtschaft der Zukunft nicht aus.

Aber der Bedarf wird deutlich geringer werden, wie die Erfahrung am
eigenen - oft uhrenlosen - Leib beweist. Natürlich komme auch nicht
ganz ohne Uhr aus. Auch ich treffe Freunde und Geschäftspartner
gerne gelegentlich persönlich und leibhaftig, mein Sohn will pünktlich
für die Schule geweckt werden, und ganz ohne Fahrpläne geht es nicht.
Aber die Zeiten, in denen ich weitgehende Souveränität über meine Zeit
besitze, also keine Uhr brauche, dominieren.'

Andreas Giger
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» Monotonie oder Leidenschaft

'Schreibt nicht die Beschaffenheit der Empfindung selbst den Bewegungen
einen gewissen Takt vor? Hüpft nicht die Freude mit raschem, schleicht
nicht die Traurigkeit mit gedehntem Tritt? Und verhält es sich nicht eben
so mit schnellen und langsamen Tonfolgen?

Um diesen Zweifel aufzuklären, denke dir eine Reihe von gleich
lange dauernden, oder in gleichen Zeiträumen auf einander folgenden
Schällen; zum Beyspiel den Schlag des Pulses, das Ticken einer Uhr,
das Läuten einer Glocke. Du siehst, alles dieß kann uns durchaus keine
andre Vorstellung als die von Schnelle und Langsamkeit geben, und hat
nicht die entfernteste Beziehung auf den Charakter verschiedner
Empfindungen.

Sobald hingegen Rhythmus entsteht, das heißt, sobald Abwechselung
in die Dauer der einzelnen Eindrücke gebracht, und Längen mit
Kürzen gemischt werden, so kann eine solche Tonfolge auch ohne
Hülfe der Modulation schon einigen Einfluß auf unser Gemüth haben,
es erwecken oder beruhigen.'

August Wilhelm Schlegel (1767-1845)
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» Den Zeitsinn auffrischen

'Wir wissen wohl, dass die Einschaltung von Um- und Neugewöhnungen
das einzige Mittel ist, unser Leben zu halten, unseren Zeitsinn aufzufri-
schen, eine Verjüngung, Verstärkung, Verlangsamung unseres Zeit-
erlebnisses und damit die Erneuerung unseres Lebensgefühls überhaupt
zu erzielen. Dies ist der Zweck des Orts- und Luftwechsels, der Bade-
reise, die Erholsamkeit der Abwechslung und der Episode.

Die ersten Tage an einem neuen Aufenthalt haben jugendlichen, das
heißt starken und breiten Gang – es sind etwa sechs bis acht. Dann, in
dem Maße, wie man „sich einlebt“, macht sich allmähliche Verkürzung
bemerkbar: wer am Leben hängt oder, besser gesagt, sich ins Leben
hängen möchte, mag mit Grauen gewahren, wie die Tage wieder leicht
zu werden und zu huschen beginnen; und die letzte Woche, etwa von
vieren, hat unheimliche Rapidität und Flüchtigkeit.

Freilich wirkt die Erfrischung hinaus, macht sich wenn man zur Regel
zurückgekehrt ist, aufs neue geltend: die ersten Tage zu Hause werden
ebenfalls, nach der Abwechslung wieder neu, breit und jugendlich
erlebt, aber nur einige wenige: denn in der Regel lebt man sich rascher
wieder ein als in ihre Aufhebung, und wenn der Zeitsinn durch Alter
schon müde ist oder - ein Zeichen von ursprünglicher Lebensschwäche -
neu stark entwickelt war, so schläft er sehr rasch wieder ein, und schon
nach vierundzwanzig Stunden ist es, als sei man nie weg gewesen und
als sei die Reise der Traum einer Nacht.'

Thomas Mann (Der Zauberberg)
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» Zeit-Gedicht

Zu Neujahr

Will das Glück nach seinem Sinn
Dir was Gutes schenken,
Sage Dank und nimm es hin
Ohne viel Bedenken.
Jede Gabe sei begrüßt,
Doch vor allen Dingen:
Das, worum du dich bemühst,
Möge dir gelingen.

(Wilhelm Busch)
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» Dichter zur Zeit

'Die Zeit vergeht, immer schneller werden ihre eiligen, kleinen Schritte.
Wie goldene Stäubchen im roten Strahl der Sonne, so flimmern in der
Zeit die Menschen auf und verschwinden wieder.'

(Maxim Gorki)

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» my_time

Nächstes offenes Zeitbalance-Seminar: 8.-9. September 2005
im Luisenhof Visselhövede, http:/www.seminarhotel-luisenhof.de

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